Handball und Arbeit

12.12.2018 10:33
Der Traditionsclub Wilhelmshavener HV organisiert sich mit Leidenschaft und Ausbildungskonzepten. Und profitiert vom Aufschwung in der Region.

Wenn Dieter Koopmann, 69, über die letzten Jahre in Wilhelmshaven berichtet, klingt das nicht nach einem Paradies für Profisport. „Fast alles, was hier mal an Profisport war, ist weggebrochen“, resümiert er die jüngste Vergangenheit. „Eishockey gibt es nicht mehr, auch der Fußball ist abgeschmiert.“ Nur die Handballer des Wilhelmshavener HV, denen Koopmann vorsteht, haben überlebt. „Wir sind noch da, quasi als Leuchtturm auf der ostfriesischen Halbinsel“, sagt Koopmann, ein bisschen Stolz schwingt mit. „Und wir versuchen, dran zu bleiben.“ In der abgeschiedenen Region, die von vielen abgeschrieben wurde, war das Ringen um die sportliche Existenz kein Zuckerschlecken, soviel lässt Koopmann durchblicken. Der WHV war ja, nachdem der Club im Sommer 2008 nach sechs Jahren Handball-Bundesliga abgestiegen war, nur drei Jahre später, als das Unterhaus eingleisig wurde, in die 3. Liga abgerutscht. Der Trend war wahrlich nicht der Friend im strukturschwachen Ostfriesland. Warum 2015 dennoch die Rückkehr in die 2. Liga möglich war? Weil sie eine Idee hatten, sagt Koopmann. „Unser Konzept besteht aus Arbeit und Handball.“

Ihnen schwebte vor, junge Talente durch gute Ausbildungsmöglichkeiten mit dem Verein und der Region zu verschränken, sagt Koopmann. Und das ziehen sie bis heute durch beim WHV. Anders gehe das auch nicht bei rund 850.000 Euro Jahresetat. „Damit liegen wir wohl am unteren Level der 2. Liga.“ Und so schaut Trainer Christian Köhrmann intensiv nach jungen Leuten, „die diesen unseren Weg mitgehen wollen.“ Und diese Handballer gibt es offenbar.

Sie wurden angelockt durch die guten Kontakte, die der WHV in vielen Jahren zur regionalen Unternehmen aufgebaut hatte. Der WHV vermittelt attraktive Ausbildungsplätze und organisiert mit den Partnern aus der Wirtschaft den Alltag, der jeden Abend ein Training vorsieht, aber aus Trainersicht eben auch zusätzliche Schichten erfordert. „Die meisten Spieler arbeiten rund 30 Stunden oder studieren“, sagt Koopmann. „Wenn es gut läuft, dann stimmen wir mit dem Arbeitgeber auch zusätzliche Einheiten am Vormittag ab“, berichtet Köhrmann.

Große Gehälter sind beim WHV also nicht drin. „Wenn jeder nur auf das Geld schielt, kann man das vergessen. Wir leben den Handball hier als Familie, wir haben eine tolle Atmosphäre“, sagt Koopmann. „Der WHV und seine Spieler entwickeln eine hohe Identifikation mit den Unternehmen und umgekehrt“, sagt Köhrmann. Vollprofis findet man also in Wilhelmshaven nicht, sondern nur welche, die es werden wollen. Zum Beispiel Kay Smits. Der junge Niederländer (links im Zweikampf mit Michael Hegemann) ist Jahrgang 1997 und kam im Sommer 2016 aus Limburg zum WHV. Sein Vater, der einst als Co-Trainer die holländische Nationalmannschaft betreute, sah in dem WHV eine ideale Plattform für viele Einsatzzeiten und eine gute Ausbildung. In dieser Saison schießt der Linkshänder in der 2. Liga alles kurz und klein, er gehört zu den besten Schützen der Liga. „Kay hat sich sehr gut entwickelt, und natürlich ist es sein Ziel, irgendwann in der Bundesliga zu spielen“, sagt sein Trainer. Wird er wechseln im Sommer? „Kann alles passieren“, sagt Köhrmann in einem lässig klingenden Tonfall. Frei nach dem Motto: Dann hätten wir hier alles richtiggemacht.

Überhaupt spricht aus den Verantwortlichen eine große Portion Optimismus. Koopmann ist einerseits zuversichtlich, mit der Verpflichtung von Oliver Köhrmann, der sich zuletzt eine Versicherungsagentur aufgebaut hatte, seine Nachfolge langfristig zu regeln. Der Bruder des Trainers, als Olympiateilnehmer von 2008 der erfolgreichste Handballer der Stadt, soll Sportlicher Leiter werden. „Darüber reden wir gerade“, so Koopmann.

Und dann sind die ökonomischen Perspektiven in der Region, da sich der Jade-Weser-Port als Hafen für die Riesen-Container-Schiffe besser als erwartet entwickelt, äußerst positiv. Beispielsweise schafft Nordfrost, einer der wichtigsten Partner des WHV, gerade Hunderte von neuen Arbeitsplätzen und wird 100 Millionen Euro investieren. „Die Zukunft sieht wirklich rosig aus“, sagt Koopmann. „Das ist auch gut für uns.“ Den Leuchtturm WHV wird es wohl noch lange geben

Dieser Artikel stammt aus der HANDBALL inside Ausgabe #19 1/2018. Autor: Erik Eggers

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Quelle: PM HANDBALL Inside

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