„Etwas Normalität“

- Unter SG Entzug, Teil 2

Die Schritte auf den Treppen zur FLENS-ARENA, auf den „Stufen des Erfolgs“, fühlen sich komisch an. Es ist menschenleer auf dem Lars-Christiansen-Platz. „Im Moment wäre ich schon froh, wenn überhaupt wieder gespielt werden könnte“, sagt Sven Anker. „Noch schöner wäre es natürlich, wenn die SG sagen würde: Alle können wieder kommen.“

Eine solch lange Zwangspause hat er noch nie erlebt. Der aus Koldenbüttel stammende Fan ist so lange bei Heimspielen dabei, wie die SG Flensburg-Handewitt auf der europäischen Bühne tanzt. Seine „Stunde null“ schlug, als die SG am 7. Oktober 1995 mit 27:19 gegen SKAF Minsk gewann. Damals noch in der Fördehalle. Im Februar 1997 war Sven Anker erstmals „on tour“. Das Ziel: Fredenbeck. Er startete eine Sammlung, hob seither jedes Auswärts-Ticket auf. Inzwischen sind es 208. Auch international kamen viele Reisen zusammen. Der SG Fan kann Geschichten erzählen aus Dünkirchen, Braga oder Metkovic – zunächst konnte praktisch jede Runde ein unbekanntes Terrain erkundet werden.

Nostalgie-Trips
Seit März muss sich der Sprecher der 2009 gegründeten „Alten Garde“ gedulden. Nirgendwo flog ein Handball. Auch die Aktivitäten des rund 30-köpfigen Zusammenschlusses liefen seither auf Sparflamme. „Wir sind im Oktober zehn Jahre alt geworden“, berichtet Sven Anker. „Eine Feier hatten wir zunächst wegen des engen Terminkalenders geschoben, aber zum Glück holten wir sie im Februar nach.“ Gerade noch rechtzeitig. Kontakt bestand unter den Fans auch ab Mitte März weiterhin, aber kleine Treffen waren eine Seltenheit. Einmal kauften sie 20 virtuelle Eintrittskarten für eine Auswärtstour. Frisch Auf Göppingen zeigte im Internet ein Spiel gegen die SG aus der Serie 2001/2. Die SG Fans beließen es beim guten Willen und schauten sich die Partie nicht an: Die SG verlor damals beim Aufsteiger aus dem Süden. Mehr Freude brachten da schon andere Nostalgie-Trips. Etwa der Halbfinal-Klassiker von 2014 gegen den FC Barcelona. „Sehr würdig unter diesen Bedingungen“, meint Sven Anker, war auch die Verabschiedung der scheidenden SG Akteure via Live-Stream.

Mitten auf der Nordtribüne
Die „Alte Garde“ bastelt Abschiedsgeschenke: gemalte Trikots für die Spieler. „Wir hoffen auf ein Abschiedsspiel für Holger Glandorf und dass dann auch Anders Zachariassen, Simon Jeppsson, Michal Jurecki und Jens Schöngarth kommen werden“, erzählt Sven Anker. „In dieser Zeit ist es Aufgabe der Fans, seinem Verein emotional Halt zu geben. Sehr schön ist auch der sehr persönlicher Draht zur kleinen Geschäftsstelle.“ Deshalb verzichtete die „Alte Garde“ auch auf Teilrückzahlungen der Dauerkarten und liebäugelt zugunsten der SG sogar mit einer Solidaritäts-Aktion, falls die finanziellen Sorgen größer werden sollten. Erfreulicher wäre ab Oktober gewiss dieses Bild: Mitten auf der Nordtribüne stehen, im Puls der Stimmung, vor und nach dem Spiel klönen und ein Bierchen trinken. „Etwas Normalität wäre schön“, findet Sven Anker. Ohne Skepsis kommen ihm die Worte aber nicht über die Lippen. Vielleicht muss noch das ganze Jahr ohne oder mit nur wenigen Zuschauern gespielt werden.